Kernkompetenz Fleisch: Zu Besuch bei Metzgermeister Philipp Sontag

Fleischsommelier Philipp Sontag © Philipp Sontag

Unternehmensbesuch beim Kißlegger Metzgermeister Philipp Sontag. Direkt nach dem Betreten der Metzgerei werde ich von einer Mitarbeiterin mit Füßlingen, Haarnetz und Hygienekittel ausgestattet und finde mich einige Sekunden später im weiß-gekachelten Zerlegeraum wieder. Vor mir: Philipp Sontag, in vollem Körpereinsatz über eine Rinderhälfte gebeugt. Mit routinierten und flinken Handgriffen befreit er die Rippen von Sehnen und Fleisch. Aus diesem ansehnlichen Stück werden später mal sogenannte Tomahawk Steaks (Ribeye-Steak mit langem Knochen) – eine Delikatesse in Kennerkreisen.

Philipp Sontag ist Metzgermeister aus Leidenschaft und arbeitet mit hohen Qualitätsvorstellungen. „Ich habe mich bewusst für diesen Beruf entschieden und bin bis heute überzeugt von dem, was ich tue“, so Sontag selbstbewusst. Er schlachtet prinzipiell selbst, die Tiere stammen von den umliegenden, regionalen Höfen. Auch der würdevolle Umgang ist ihm wichtig. „Das betrifft zum einen die Schlachtung, aber auch die spätere, möglichst vollständige Verarbeitung der Tiere“, so Sontag.

„Allein mit Weißwürsten ist der Krieg nicht zu gewinnen“

2007 übernimmt er den väterlichen Betrieb und schon damals ist dem jungen Metzgermeister auf gut Deutsch klar: „Allein mit Weißwürsten ist der Krieg nicht zu gewinnen.“ Denn auch das Metzgerhandwerk hat heutzutage, laut Sontag, mit dem veränderten Konsumverhalten zu kämpfen: „Aktuell werden deutschlandweit 80 Prozent aller Fleisch- und Wursteinkäufe in Supermärkten und Discountern getätigt“, führt Sontag aus. „Das heißt nicht, dass wir Metzger etwas falsch gemacht haben. Für die Konsumenten ist es heutzutage schlichtweg bequemer. Und die Ware, die sie da kaufen, schmeckt ja auch gar nicht mal so schlecht und die Kunden bekommen schließlich auch erzählt, dass die Erzeugnisse aus der Region sind und das Fleisch handwerklich top verarbeitet wurde“, so Sontag weiter. „Nur wie viele Kilometer sind regional? Und wie viele Tonnen pro Woche sind tatsächlich handwerklich?“

Irgendwann trifft er für sich, seine Familie und seine Mitarbeiter schließlich eine Entscheidung: „Ich sah damals zum einen immer mehr Kollegen aufgeben, die dem Preisdruck konventioneller Massenprodukte aus dem Supermarkt wirtschaftlich nicht mehr standhalten konnten“, so Sontag, „andererseits gab es Kollegen, die sich weiterentwickelten und neue Nischen-Märkte für ihre Erzeugnisse erschlossen.“ Philipp Sontag entscheidet sich für das Kämpfen und macht sich auf die Suche nach einem Alleinstellungsmerkmal, das ihn mit seinen Produkten klar von der Masse abhebt.

Kernkompetenz Fleisch: Philip Sontag versteht etwas von seinem Fach © Philipp Sontag

Sechs Jahre später, im Sommer 2013, kommt Sontag schließlich durch einen Freund auf die zündende Idee. „Ein Kumpel fragte mich damals, ob ich ihm ein paar American Cuts (T-Bone-/Porterhouse-Steak) für einen Grillabend zurechtmachen könne“, so Sontag. „Bis dahin hatte ich nur sporadisch von amerikanischen Steak-Zuschnitten gehört und war überrascht, wie viele Menschen sich in meinem Bekanntenkreis und in diversen Internetforen dafür interessieren.“ Sontag betritt daraufhin Schritt für Schritt einen neuen Fleischkosmos: von American Cuts kommt er zur mehrwöchigen Lagerung „dry aging“, von dort ist es nur noch ein kurzer Weg zum BBQ. „Die Jungs waren damals begeistert von der Qualität meiner Steaks und empfohlen mich wiederum an ihre grill- und fleischverrückten Freunde weiter. So baute ich mir schrittweise einen zusätzlichen, völlig neuen Kundenstamm auf: Überwiegend männlich, zwischen 25 und 55 Jahre alt, und bereit, für gutes Fleisch, gutes Geld auszugeben“, erzählt Sontag.

„Was für Frauen ein Paar Schuhe ist, ist für Männer ein saftigtes T-Bone Steak“

Heute wird Sontag vom Deutschen Fleischerverband als Redner zur BBQ Kultur und amerikanischer Schnittführung eingeladen. Er schreibt als Experte zum Thema „Fleischkunde“ in dem Grillmagazin Fire&Food, seine Flyer liegen jedem gekauften Grill der Firma BBQ24 bei. Seit 2015 gibt er in Kooperation mit Klaus Winter aus Lindau Grill- und Fleischseminare in Kißlegg. „Sie müssen sich das in etwas so vorstellen“, lacht Sontag. „22 Männer stehen um einen Tisch herum und schauen andächtig bei der Zerlegung eines Rinderhinterviertels zu. Ich erreiche mit meinen Seminaren Menschen, die wieder wissen möchten, was eigentlich auf ihrem Teller landet, die die Vorgänge begreifen und dem handwerklichen Prozess beiwohnen möchten“, so Sontag. „220 Seminarteilnehmer nahmen allein 2016 an den Kursen in Kißlegg teil. Die Leute kommen aus München, Kempten, Ulm und Schwäbisch-Gmünd, nur auf Grund des Fleisches zu mir. Ich habe immer gedacht, es sei etwas ganz normales, was wir hier machen. Aber ich habe scheinbar einen Nerv getroffen.“

Einer der ersten Fleischsommeliers Deutschlands

Seit wenigen Wochen hebt ihn noch ein weiteres Merkmal von der Konkurrenz ab: 14-Tage lang hat er sich in Augsburg an der bayerischen Fleischerakademie zum Fleischsommelier ausbilden lassen. „Da waren ein paar ganz wilde Hunde mit dabei“, blickt Sontag schmunzelnd auf die anderen Lehrgangsteilnehmer zurück. Ob Lammfleisch-Experte oder Eigentümer eines Weißwurstmuseums – die Metzgermeister einte alle die gemeinsame Leidenschaft für das Thema Fleisch. „Wie ein Wein-Sommelier, der den Gast bei der Weinauswahl berät, sind wir nun Experten in Sachen Fleisch“, erklärt Sontag den noch neuartigen Ausbildungstitel. „Als Fleisch-Sommelier ist es unsere Aufgabe, mit unserer Kompetenz zum Thema Fleisch Verbrauchern beim Einkauf beratend zur Seite zu stehen und unter anderem das Bewusstsein für eine artgerechte Tierhaltung, Qualität und Regionalität zu schärfen“, so Sontag.

Trotz BBQ-Hype und Sommelier-Zertifikat liegt für Philipp Sontag die Priorität weiterhin auf seiner Metzgerei mit angeschlossenem Partyservice. „Letztendlich geht es mir nicht vordergründig um die Kunden, die hier einmal im Quartal für viel Geld Fleisch abholen, sondern um die Kißlegger Bürgerinnen und Bürger, die bei uns ihren täglichen Einkauf erledigen und zu schätzen wissen, was ich tue. Ich freue mich, dass mittlerweile viele Kißlegger ihre anfängliche Scheu gegenüber den neuen Ideen abgelegt haben. Viele sind neugierig, sprechen mich auf die einzelnen Fleischstücke an, möchten sie selbst mal testen und in der Pfanne oder auf dem Grill ausprobieren. Denn: Auch wenn vielleicht mal ein fremdartiges Fleisch bei mir in der Auslage liegen mag – Saitenwürste, Tafelspitz und die klassischen Fleisch- und Wurstwaren gibt es bei uns natürlich immer noch!“

Mehr zur Kißlegger Metzgerei Sontag sowie den Grill- und Erlebniskursen erfahren Sie auf der unternehmenseigenen Homepage.

 

 

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