Portrait eines Künstlers: Andreas Scholz

Das erste Mal treffe ich Andreas Scholz in seinen Arbeitsräumen in der ehemaligen FARNY Villa auf dem Hofgut Dürren. Bei diesem Termin, im Frühjahr 2015, geht es im Entferntesten um Kunst. Eigentlich geht es mir um eine Unterschrift für eine schnellere Internetverbindung vor Ort. Nebenan sind die Bauarbeiter mit der Fertigstellung des FARNY Tagungshotels beschäftigt. Hier, in den Räumen der Villa, scheint es hingegen, als wäre die Zeit stehen geblieben. Mich würde es nicht wundern, wenn Theodor Heuss oder ein anderer Gast hohen Ranges in wenigen Augenblicken in der Tür erscheinen würde.

„Seit ich denken kann, strebe ich danach selbständig zu sein“

Dort, wo einst Farny politische Gäste empfing, hantiert Andreas Scholz heute mit seinen Farben und Leinwänden, die er großzügig in allen Räumen verteilt hat. Andreas Scholz malt mit ganzem Körpereinsatz, kniet auf den Bildern, gebannt von der Inspiration die ihn leitet, auch wenn ihm später am Abend vermutlich der Rücken schmerzen wird.

Die Räumlichkeiten der Farny Villa dienen heute als Atelier

Die Räumlichkeiten der Farny Villa dienen heute als Atelier

In unserem ersten Gespräch erfahre ich bereits einiges über seinen künstlerischen Werdegang: 1955 in Waldbröl geboren, absolvierte er von 1976 bis 1980 ein Studium an der Fachhochschule für Kunst und Design in Köln. Als Meisterschüler von Professor Pravoslav Sovak erhielt er diverse Förderpreise und folgte einem Lehrauftrag an der Fachhochschule Köln. „Dieser Lehrauftrag war nur von kurzer Dauer“, erzählt Scholz im markanten Dialekt eines Rheinländers. „Seit ich denken kann, strebe ich danach selbstständig zu sein, keine Obrigkeit zu haben. Ich erinnere ich mich insgesamt gerne an die Jahre in Köln zurück. Sigmar Polke war quasi mein Nachbar, Gerhard Richter wurde zu einem meiner größten Vorbilder“. Die Liebe zu seiner Frau Irina führte Scholz schließlich im Jahr 1999 von der Domstadt ins beschauliche Allgäu. „Ich hatte zu der Zeit schon viel von der Welt gesehen. Ich hatte in Kalifornien gelebt, hatte u.a. Indien bereist. Das Klima hier, die Orte und Landschaft – ich musste nicht lange überzeugt werden.“

Eine weitere Impression aus dem Atelier in Kißlegg

Eine weitere Impression aus dem Atelier in Kißlegg

„Das sieht ja aus, wie auf einer Milchtüte“

Richtig, die Landschaften. Ein Baum, ein Weg, eine Allee – Situationen und Orte, die jeder von uns glaubt schon einmal erlebt zu haben oder schon da gewesen zu sein, sind die prägnanten Motive seiner Werke. Eine Symphonie aus saftigen Grün- und kristallklaren Blautönen. „Mein Wunsch als Kunstschaffender ist es, an den schönsten Orten der Welt zu sein“, fasst es Scholz kurz und knapp zusammen. „Manch Kritiker mag vielleicht beim Betrachten meiner Bilder denken „Das sieht ja aus wie auf einer Milchtüte“, aber ich nehme das eher als Kompliment auf. Die Marketingleute der Milchfirma werden sich ja auch etwas dabei gedacht haben. Sie möchten, genauso wie ich, Emotionen wecken. Ich möchte, dass mein Bild im Herzen des Betrachters ankommt.“

Andreas Scholz in Aktion im Lindenhof Park

Andreas Scholz in Aktion im Lindenhof Park

Ein paar schöne Landschaften hat Scholz bereits für sich entdeckt: die südfranzösische Region Ardèche mit ihren markanten Felsen und Buchten, die Berg- und Wiesenlandschaft des Allgäus, die Ufer des Bodensees. Diesen drei Schauplätzen ist auch die Ausstellung „Grün“ gewidmet, die ab dem 3. April 2016 eine Auswahl Scholz’scher Werke im Neuen Schloss Kißlegg zeigt.

Die Ausstellung ist der Grund, warum es nicht bei dem einem Treffen mit dem Landschaftsmaler bleibt. Im Sommer 2015 statte ich Scholz in seinem Freiluft-Atelier im Lindenhofpark einen erneuten Besuch ab. Sein beigefarbener Kastenwagen steht gut sichtbar am Eingang des Parks, nur wenige Meter entfernt thront majestätisch das Hotel Bad Schachen, in dem einmal jährlich die Nobelpreisträger zusammenkommen. Vom nahegelegenen Strandbad tönen die ausgelassenen Stimmen der Badegäste herüber, die Vögel zwitschern in den Baumwipfeln, einige Fußgänger flanieren entlang des Seeufers. Mitten in der Wiese, vornübergebeugt über eine Leinwand, kniet Andreas Scholz in seine Arbeit vertieft. Das eine oder andere Mal bleibt ein Spaziergänger dicht neben ihm stehen, verwickelt ihn in ein kurzes Gespräch und zieht ein paar Minuten später wieder von dannen.

Passanten bleiben stehen, sind neugierig was da neues entsteht, verwickeln den Maler in ein Gespräch.

Passanten bleiben stehen, sind neugierig was da neues entsteht, verwickeln den Maler in ein Gespräch.

„Eigentlich bin ich nichts anderes, als ein Tourist“

„Mit 16 war es mein großer Traum, mal in einem Park zu sitzen, zu malen und dabei mit den Passanten ins Gespräch zu kommen“, erzählt mir Scholz wenig später bei einem Rundgang durch den Park. „Als ich das erste Mal hier war, wusste ich sofort, dass ich hier richtig bin. Dieser Ort inspiriert mich, hier kann ich richtig leben. Der Park ist mein zweites Wohnzimmer: Nach getaner Arbeit gehe ich eine Runde im See schwimmen, führe das eine oder andere nette Gespräch. Heute lebe ich den Traum, den ich damals als 16-jähriger hatte“, erzählt Scholz sichtlich zufrieden. Ob es ihn denn gar nicht nerve, ständig von Passanten angesprochen zu werden? Andreas Scholz muss schmunzeln. „Eigentlich bin ich nichts anderes als ein Tourist. Ich bin auch auf der Suche nach schönen Orten. Wie also kann ich es jemandem verdenken, wenn er, wie ich, sich an einem schönen Ort aufhalten möchte? Das liegt quasi in der Natur der Dinge, dass es Menschen an schöne Orte zieht. Dies ist ein öffentlicher Park, selbstverständlich kann ich nicht davon ausgehen, dass ich mich hier alleine befinde. Die Menschen öffnen mir in Gesprächen ihr Herz, spüren wie ich, die Energie dieses Ortes – so etwas empfinde ich nicht als störend.“

Andreas Scholz malt mit vollem Körpereinsatz. Am Abend wird ihm nach mehreren Stunden in dieser Haltung sicher der Rücken schmerzen.

Andreas Scholz malt mit vollem Körpereinsatz. Am Abend wird ihm nach mehreren Stunden in dieser Haltung vermutlich der Rücken schmerzen.

Während unseres Spaziergangs macht mich Andreas Scholz auf kleine Feinheiten aufmerksam. Auf den Schatten eines Baumes, die Spiegelung des Lichts, das Farbenspiel der Blätter sobald ein kleiner Windstoß das Blattwerk erreicht. Dabei stellt sich mir unbewusst die Frage: Wie viel übersehe ich eigentlich, wenn ich mich an einem Ort befinde? Nehme ich überhaupt noch die Feinheiten und Nuancen wahr, oder lasse ich mich nicht viel zu leicht durch das Vibrieren meines Handys in der Jackentasche oder einen vorbeilaufenden Jogger ablenken?

„Manchmal male ich zwei Jahre an einem Bild“, führt Scholz weiter aus. „Man könnte meine anfängliche Arbeit mit der eines Filmemachers vergleichen, der die besten Location für seinen Film sucht. Ich fotografiere zunächst die Architektur des Ortes, halte zu unterschiedlichen Tageszeiten die Details fest. Später selektiere ich und im besten Falle habe ich dann die passende Stelle gefunden, die ich malen möchte. Ich muss einen Ort immer erst erleben. Ich muss ihn genießen, vor Ort schwimmen, essen, wandern.“

Andreas Scholz im Lindenhof Park

Andreas Scholz im Lindenhof Park

„So ging es mir beispielsweise in der Ardèche, als ich das erste Mal am Felsentor Pont d’Arc stand. Meine Begleitung wollte lieber an einen weniger besuchten Ort, mich faszinierte jedoch genau diese belebte Stelle mit ihren vielen Besuchern und Badegästen. Ich habe schließlich meine Begleitung nach Köln zurückgefahren und bin einen Tag später alleine zurückgekehrt“, gibt Scholz unbekümmert zu.

„Ich sehe mich selbst als Landschaftsmaler.“

Sein ungestümer Freiheitsdrang kommt in den Gesprächen immer wieder zum Vorschein. Scholz lehnt sich auf gegen mächtige Galeristen, die auf dem Kunstmarkt darüber bestimmen, was eigentlich Kunst ist. Er wettert gegen die uniforme, massentaugliche Fabrikkunst, die aktuell den Kunstmarkt überschwemmt. „Was wir aktuell in den scheinbar renommierten zeitgenössischen Museen sehen, ist aalglatte Kunst, nahezu antiseptisch“, wettert Scholz. „Wenn jemand in der Zukunft auf dieses Jahrhundert zurückblickt, wird er die Zeitspanne sicher als die „Langweilige Phase“ titulieren. Ich bin niemand, der einem Galeristen in den Hintern kriecht. Bei mir steht seit jeher die Freiheit vor der Karriere. Daher sehe ich mich auch nicht als Künstler, sondern als Landschaftsmaler. Letztendlich kommt es mir aber auch nicht auf den Titel an, sondern auf den eigenen Glückszustand, “ fügt Scholz versöhnlich hinzu. „Ich für meinen Teil bin glücklich, dass ich zu dem einen Prozent der Kunstschaffenden gehöre, die von ihrer Kunst leben können. Ich bin permanent dankbar, malen zu dürfen!“

"Ich bin permanent glücklich, malen zu dürfen."

„Ich bin permanent dankbar, malen zu dürfen.“

Der Herbst setzt ein, das FARNY Hotel feiert seine Neueröffnung. In jedem der Gästezimmer hängt eine Scholz’sche Allgäuimpression. Ende März 2016 kommt es zum dritten Interviewtermin, die ersten Bilder sind in den Ausstellungsräumen im Neuen Schloss gehängt, dem Künstler ist eine Mischung aus gespannter Vorfreude anzumerken. Im Nebenraum ist der Schreiner noch geräuschvoll bei der Arbeit. Jetzt gibt es noch die Möglichkeit, einzelne Bilder umzuarrangieren. Am 3. April, bei der öffentlichen Vernissage, muss dann alles am richtigen Fleck sein. Jeder Ausstellungsraum ist einem der Sehnsuchtsorte des Malers gewidmet. Ein Mädchen im Bikini auf einem leuchtend roten Badetuch, der Blick ist auf den Bodensee und das dahinterliegende Alpenpanorama gerichtet, die karstigen Felsen der Ardèche, ein halb geöffnetes Sommerkleid, jugendliche Körper in knappen Bikini-Höschen. Die Schwäbische Zeitung titulierte Andreas Scholz einst als „Gut-Maler“ – ich persönlich würde es vermutlich nicht so brav interpretieren. Eher schlüpfe ich durch das Betrachten seiner Werke, gewollt oder ungewollt, in die Rolle eines Voyeurs, der einen kurzen, verbotenen Blick durch das Schlüsselloch erhascht. Ich betrachte Momente absoluter Privatheit, intime Situationen und pure Sinnlichkeit an landschaftlich reizvollen Orten.

„Meine Hauptaufgabe als Maler liegt darin, mich nicht in meiner Kunst bremsen zu lassen.“

Eines der Highlights der Ausstellung ist das neunteilige Bild mit Blick auf den Bodensee, das Scholz extra für die Ausstellung im Neuen Schloss angefertigt hat. „Für mich ist so etwas als Künstler der absolute Ruin“, gibt er grinsend zu. „Ich werde nie jemanden finden, der ein Werk in solch einer Größe kauft. Aber ich wurde schlichtweg von der Kunst dazu getrieben es für diese Räume hier zu malen. Da werden alle rationalen Gedanken plötzlich nebensächlich. Ich betrachte die Kunst wie eine Art Religion, nur besser: man horcht und vertraut ihr und am Ende wird man belohnt, weil man ihr gefolgt ist. Meine Hauptaufgabe liegt darin, mich nicht bremsen zu lassen. Dies ist zum Glück auch bei diesem Bild geschehen und ich bin gespannt, wie es die Besucher der Ausstellung aufnehmen werden“, so Scholz voller Vorfreude auf die bevorstehende Eröffnung.

Pinsel

Auch das Rahmenprogramm zur Ausstellung kann sich sehen lassen

Doch nicht nur die Auswahl an Werken kann sich sehen lassen, auch das Rahmenprogramm, das die Ausstellung begleiten wird, überzeugt. An vier Terminen, neben der öffentlichen Vernissage am 3. April 2016, finden kostenlose Führungen mit Andreas Scholz durch die Ausstellung mit anschließendem Künstlergespräch statt. Am Mittwoch, 15. Juni wird der Dokumentarfilm „Die Höhle der vergessenen Träume“ von Werner Herzog gezeigt, an zwei Veranstaltungsterminen wird es ein Weinseminar mit Weinen aus der Ardèche und der Bodenseeregion geben. Ab dem 19. Juni ergänzen dann die Landschaftsbilder des Künstlers Harry Meyer die Ausstellung.

Auch an die Kinder wird bei dieser Ausstellung gedacht. An drei Terminen bietet Andreas Scholz Zitronen-Malkurse für Kinder und Schüler zwischen 8 und 15 Jahren an. Scholz selbst ist in einer Zeit aufgewachsen, in der Kinder nur wenig zu sagen hatten. „Ich suchte in der Malerei eine Möglichkeit mich auszudrücken“, erklärt er uns den Hintergrund seines Angebots. „Heute, und das ist auch gut so, sind die Kinder in ihrer Entfaltung viel freier, sie dürfen sich artikulieren, ihnen geht es insgesamt recht gut. Viele Kinder haben vielleicht früher gerne gemalt, aber mit der Zeit einfach damit aufgehört“, erläutert Scholz. „Mein Ziel ist es nun nicht, aus den Kindern in drei Stunden große Künstler zu machen. Sie sollen schlichtweg einen schönen Tag haben und künftig positive Erinnerungen mit dem Thema „Kunst“ verbinden.“ Und warum nun ausgerechnet Zitronen? „Eine Zitrone ist ein recht dankbarer Gegenstand für einen Malkurs“, gibt Scholz schmunzelnd zu. „Zitronen wachsen wie sie wollen, man kann nicht viel falsch machen. Und auch das leuchtende Gelb strahlt eine Sinnlichkeit aus, die jetzt beispielsweise eine erdverkrustete Kartoffel einem Kind nicht so leicht bieten kann.“

"Grün" ab 3. April 2016 im Neuen Schloss Kißlegg

„Grün“ ab 3. April 2016 im Neuen Schloss Kißlegg

Die Ausstellung „Grün“ ist dienstags, donnerstags und freitags von 14:00 bis 17:00 Uhr geöffnet sowie an Sonn- und Feiertagen zwischen 13:00 und 17:00 Uhr. Der Eintrittspreis für das Neue Schloss und die Ausstellung beträgt für Erwachsene 4 Euro, für Familien 9 Euro und ermäßigt 3 Euro. Nähere Informationen sowie Anmeldemöglichkeiten für das Begleitprogramm gibt es im Gäste- und Bürgerbüro Kißlegg, telefonisch unter 07563/936142 oder per E-Mail an tourist@kisslegg.de.

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