Hinter den Kulissen des Kißlegger Winterdienstes: Im Gespräch mit Daniel Ott

Noch hat uns der strenge Allgäuer Winter einigermaßen verschont. Daniel Ott ist über die diesjährigen Wetterverhältnisse nicht unglücklich. Als Stellvertretender Leiter des Kißlegger Bauhofs, ist er in diesem Jahr für den reibungslosen Ablauf des Winterdienstes zuständig. Es gab Jahre, da war er bereits Anfang Oktober mit dem Schneepflug unterwegs. In diesem Jahr stehen die acht Räum- und Streufahrzeuge der Gemeinde noch frisch gewartet und lackiert in der Garage und warten auf ihren Einsatz.

„Als Kind kannte ich Schnee nur in zwei Varianten: als Schneeflocken, die frisch auf die Erde fielen oder als bräunlich-gräulicher Schneematsch, der sich an den Straßenrändern sammelte. Die Dimensionen der schneereichen Allgäuer Winter waren mir als Kind völlig fremd“, eröffnet der gebürtige Rheinland Pfälzer Daniel Ott humorvoll das Gespräch. Wir haben uns mit ihm im Winterdienstbüro des Bauhofs Kißlegg in Zaisenhofen verabredet. Heute steht das Telefon noch still, ab und zu schaut ein Mitarbeiter neugierig zum Chef ins Büro. In einigen Tagen, vielleicht auch Wochen, wird die Situation hier eine andere sein. Dann ist es die Aufgabe des Winterdienst-Teams, in der Gemarkung Kißleggs für freie Straßen und rutschfeste Wege zu sorgen. Aktuell ist Daniel Ott als stellvertretender Leiter für das Team verantwortlich. Bauhofleiter Uwe Minsch befindet sich derzeit im Krankenstand. „Wir hoffen, dass er bald wieder gesund zu uns zurückkehrt“, bemerkt Ott gleich zu Anfang des Gesprächs.

Eine Tour dauert im Schnitt fünf Stunden

„Insgesamt 16 Mitarbeiter sind bei uns im Team für den Winterdienst zuständig“, beginnt Ott das jährliche Prozedere des Winterdienstes zu beschreiben. Man merkt ihm an, dass es keine leichte Aufgabe ist, die zahlreichen Abläufe des Winterdienstes möglichst verständlich an jemand Außenstehenden weiterzugeben. Für ihn sind die jährlichen Aufgaben mittlerweile Routine, für mich sind Räum- und Streufahrzeuge, Radlader und Handräumer bislang böhmische Dörfer. „Kißlegg ist von seiner Gesamtfläche recht ländlich geprägt. Wir haben es hier intern mal ausgerechnet: die Gemarkung Kißlegg verfügt insgesamt über eine Straßenlänge von 260 Kilometern. (Zum Verständnis: 260 Kilometer entspricht in etwa der einfachen Strecke nach Karlsruhe). Diese Länge müssen wir im Winter mehrmals am Tag abfahren. Eine Schneeräumtour dauert im Schnitt fünf Stunden.“ Um einen lückenlosen Winterdienst zu bewerkstelligen, helfen bei Extremverhältnissen weitere Arbeitskräfte externer Fremdunternehmen aus.

„Die wichtigste Maschine im Winterdienst, ist unsere Kaffeemaschine“ scherzte der stellvertretende Bauhofleiter Daniel Ott im Gespräch.

„Die wichtigste Maschine im Winterdienst, ist unsere Kaffeemaschine“ scherzte der stellvertretende Bauhofleiter Daniel Ott im Gespräch.

Der eigentliche Winterdienst beginnt weit vor dem ersten Schneefall

„Bereits Anfang September fangen wir mit den Vorbereitungen an“, berichtet Ott weiter. „Unsere acht Fahrzeuge werden von unserem Mechaniker überprüft, die Schneepflüge und weitere Maschinen müssen gewartet werden und kleinere Lackierarbeiten werden nach der Sommerpause getätigt. Nicht zu vergessen sind auch die circa 6.000 Schneepfähle, die wir streichen und einzeln in der Raumschaft ausbringen. Und je nachdem, was man für ein Jahr erwischt, kann so ein Winterdienst inklusive Einlagerung der Geräte teilweise bis Mitte Mai dauern. Im letzten Winter hatten wir unter extremen Schneeverhältnissen über 5.100 Arbeitsstunden hier bei uns im Winterdienst-Team zusammengesammelt. Durchschnittlich rechnen wir pro Saison etwa mit 4.000 bis 4.500 Arbeitsstunden“, erzählt Daniel Ott.

Eine Wochenschicht geht im Bauhof Kißlegg von Freitag bis Freitag

Am Freitagnachmittag, um 12 Uhr übernimmt der jeweilige Einsatzleiter das Kommando. Je nach Witterungslage liegt es in seinem Ermessen, ob etwas, und wenn ja, was getan werden muss. „Abends gehen wir auf die sogenannte Kontrollfahrt“, schildert Daniel Ott die genauen Abläufe. „Wir haben verschiedene Kontrollpunkte in Kißlegg, die wir anfahren. An diesen Punkten, wie in der Kirchmoosstraße oder auf der Autobahnbrücke in Waltershofen, ist es gerne frühzeitig glatt. Wenn unsere Kontrollfahrt ergibt, dass alles in Ordnung ist, fahren wir zurück in den Bauhof und geben das Ergebnis zu Protokoll. Falls es glatt sein sollte, kontaktieren wir die acht Winterdienstmitarbeiter, die in der jeweiligen Woche ständige Bereitschaft haben. Wir rücken dann gegebenenfalls mit unseren Streufahrzeugen aus und sichern die Straßen dort, wo es glatt ist.“

Durchschnittlich 300 – 400 Tonnen Salz werden pro Winter auf Kißleggs Straßen gestreut

Das wäre das eine Szenario. Was passiert nun aber, wenn es beispielsweise nachts anfängt zu schneien? „So ganz überrascht werden wir ja meistens nicht vom Einsetzen des Schnees“, so Ott routiniert. „Natürlich informieren wir uns über die örtlichen Wetterdienste und können uns ein wenig darauf einstellen. Bei Schnee und Glätte beginnt unsere Schicht gewöhnlich um 3:30 Uhr morgens. Dann rückt die erste Mannschaft aus. Bis 22:00 Uhr sind wir dann in zwei Schichten rund um die Uhr in Kißlegg unterwegs und sorgen dafür, dass die Winterverhältnisse für Autofahrer, Fußgänger und Anwohner erträglich sind“, so Ott pragmatisch. Das Team des Winterdienstes verfährt hier nach vorgegebenen Prioritäten. „Wir nennen das unsere A, B und C Straßen“, erklärt Ott. „Absolute Priorität haben die Hauptverkehrsstraßen, die Schulwegrouten der Busse und der gesamte innerörtliche Bereich. Mit der Gemeinde vertraglich geregelte private Hofzufahrten, werden von uns erst am Schluss der Tour angefahren.

Nicht immer verlaufen die Touren reibungslos

„Natürlich sind unsere Arbeitsumstände nicht immer die leichtesten“, setzt Ott zaghaft an. „Wir sind mit schwerem Gerät unterwegs. Daher ist es für uns immer recht kritisch, wenn wir auf schmalen Straßen anderen Verkehrsteilnehmern ausweichen müssen. Wir versuchen morgens den Großteil der Arbeit erledigt zu haben, bevor der Berufsverkehr einsetzt – aber das ist natürlich nicht immer planbar.“

Ott hat bereits einige Winterdienste mitgemacht. Er erzählt uns Episoden aus Extremwintern, bei denen man nur noch mit Hilfe einer Schneefräse vorankam und in denen das Kißlegger Team eines der letzten war, die bei den widrigen Umständen noch gefahren ist. Geschichten von Anwohnern, die ihre Gehwege exakt dann freischaufeln, NACHDEM der Schneepflug durchgefahren ist. „Die gesamte Arbeit kann man dann eigentlich wieder von vorne beginnen“, so Ott zähneknirschend. „Natürlich verstehe ich jeden, der morgens schnell von seiner Wohnung zur Arbeit fahren möchte und sich freie Straßen wünscht. Manchmal arbeiten jedoch die Wetterverhältnisse gegen uns und wir erreichen die besagte Straße ein paar Minuten später. Hier würde ich mir von dem einen oder anderen Bürger mehr Geduld wünschen bzw. dass man sich vielleicht einen kleinen zeitlichen Puffer an Extremtagen mit einbaut“, so Ott. „Manches Mal können meine Mitarbeiter auch schlichtweg die Straßen nicht befahren. Wir können mit unseren Schneepflügen nicht zickzack fahren, wir benötigen gut drei Meter breit befahrbare Straßen. Wenn die Straße dicht zugeparkt ist, liegt es immer im jeweiligen Ermessen unseres Mitarbeiters, ob er in die Straße hineinfährt. Wir möchten schließlich auch Schäden an Autos und Grundstücken vermeiden“, rechtfertigt Ott manch notwendige Entscheidung seiner Kollegen und Mitarbeiter.

„Wir stoßen auf viel Unverständnis“

An winterlichen Extremtagen beginnt gewöhnlich um 7:00 Uhr morgens in der Bauhofzentrale das Telefon zu klingeln. „Das sind etwa um die dreißig Anrufe, die allein vormittags bei unseren Mitarbeitern reinkommen“, so Ott. „Es wird viel geschimpft, wir stoßen auf viel Unverständnis: Warum war der Schneepflug noch nicht bei mir, wann wird meine Straße gebahnt etc. Wir schreiben die einzelnen Fälle auf, halten Rücksprache mit den Außenkollegen und rufen die Bürgerinnen und Bürger dann auch wieder zurück und geben ihnen die gewünschte Information bzw. Auskunft, wann das jeweilige Team vor Ort sein wird“, so Ott weiter. „Von 50 Anrufen sind vielleicht ein bis zwei Personen dabei, die sich bei uns bedanken oder uns mit dem Satz „Heute war es toll“ ein Lob aussprechen. Die anderen Anrufe sind teils sehr emotionale und gereizte Bürger, die sich beschweren“, fasst Ott zusammen.

Feiertage sind nicht planbar

Die Weihnachtsfeiertage verliefen in diesem Jahr für den Winterdienst erfreulich ruhig. Die Couch, die im Büro extra für Mitarbeiter mit langen Anfahrtswegen vorsorglich aufgestellt wurde, wurde während der Feiertage nicht genutzt. „Ich bin vermutlich der einzige Kißlegger, der sich über grüne Weihnachten freut“, schmunzelt Ott. „In diesem Jahr konnte ich mal wieder ein wenig Zeit mit meiner Familie genießen. Normalerweise sitze ich, wenn alle anderen in den Gottesdienst gehen oder Bescherung feiern, auf dem Schneepflug“, erzählt er aus vergangenen Wintern. „Unsere Feiertage sind generell nicht planbar. Es kann sein, dass man für den Abend etwas ausmacht und dann beginnt es am Nachmittag zu schneien und du musst raus in den Winterdienst. Als Mitarbeiter des Bauhofs muss ich generell flexibel an Ort und Stelle sein, sobald ich gebraucht werde. Ich glaube, nur die wenigsten Bürger wissen das.“