Immer guat drauf – 220 Jahre Kißlegger Musikverein

Eine weitere Premiere für die Rubrik „Mein Kißlegg“: erstmals findet der Interviewtermin mit gleich drei Gesprächspartnern statt. Doch bei einem mitgliederstarken Verein wie dem Musikverein Kißlegg kann man, vor allem im runden Jubiläumsjahr, schon einmal eine Ausnahme machen. Mit dabei ist als Mitglied der Vorstandschaft Manuel Bischofberger, die Jugendsprecherin des Gesamtausschusses Luisa Wolf sowie Günther Müller – der älteste aktive Musiker des Vereins. Unser Treffpunkt: das Vereinsheim in Zaisenhofen.

Redaktion: Als Einstieg würde mich natürlich interessieren, wie Sie zur Musik und letztendlich zum Musikverein Kißlegg kamen

Günther Müller: Ich entstamme einem Elternhaus, das wenig bis gar nicht musikalisch geprägt war. Ich kann mich speziell an einen Moment als kleiner Junge erinnern, da hörte ich auf einem Fest die wunderschöne Melodie des Stückes „Dornröschens Brautfahrt“. Natürlich wusste ich damals den Namen des Stückes nicht, aber ich war sofort fasziniert von der Musik. Ein weiterer dieser Momente erlebte ich, als ich das erste Mal den Triumphmarsch aus der Oper Aida im Radio hörte – da war ich hin und weg. Mein drittes und ausschlaggebendes Erlebnis war dann auf einem anderen Fest, bei dem die Musikkapelle live spielte. Zwei meiner Freunde waren in der Kapelle und nach dem Fest rannte ich zu ihnen und fragte ihnen Löcher in den Bauch, wie ich mitmachen kann. Ich lernte dann zunächst Klarinette und einige Wochen später, das muss 1953 gewesen sein, war ich dann bei der ersten Probe mit dabei. So kam ich zur Musik und auch zum Musikverein.

Manuel Bischofberger: Ich bin durch meinen Vater zur Musik gekommen. In unserer Familie sind eigentlich alle musikalisch und unser Vater, er spielt Saxophon, hat mich und meine beiden Brüder als wir jung waren überall hin mitgenommen. Wir haben auf größeren Musikveranstaltungen mitgeholfen, waren schon in jungen Jahren tief im hiesigen Vereinsleben integriert und es hat uns einfach Spaß gemacht, bei etwas Großem mitwirken und dabei sein zu dürfen. Als Sohn wollte ich natürlich meinem Vater nacheifern und lernte, nach fünf Jahren Klarinettenunterricht, dann schließlich das Saxophonspielen. Ich war Mitglied der Young Band, später wechselte ich zum Jugendblasorchester und schließlich in den Musikverein.

Luisa Wolf: Für mich war es quasi Liebe auf den ersten Blick, als ich das erste Mal auf einer Veranstaltung mein heutiges Instrument, das Horn, gesehen und gehört habe. Mich hat das von der ersten Sekunde an fasziniert. Ich nahm anschließend knappe acht Jahre Unterricht in Kißlegg und Wangen und spielte dann auch zunächst in der Young Band und bis heute beim Jugendblasorchester sowie im Musikverein.

Redaktion: Warum können Sie sich ein Leben ohne Musikverein heute kaum mehr vorstellen? Welche Momente sind es, die Sie jedes Mal aufs Neue motivieren?

Günther Müller: Wenn ich ehrlich bin, haben mich der Verein und meine Liebe zur Musik immer hier in Kißlegg gehalten. 1962 gründete ich, es war die Zeit der Beatles, eine eigene Kapelle. Wir hatten fast jeden dritten Tag einen Auftritt. Das war natürlich enorm, und das, neben dem eigentlichen Berufsleben. 1975 lernte ich dann auch noch Fagottspielen – damals wollte unser Dirigent Max Gambach das Klangvolumen des Vereins erweitern. Ein Fagott musste her und mit mir fand sich dann auch ein Mitglied, das sich für ein neues Instrument begeistern konnte. Wenn ich auf meine 63 Jahre im Verein zurückblicke, wird mir erst richtig bewusst, wie sehr der Verein, die Kameradschaft und die Musik mein Leben prägen.

Luisa Wolf: Ich bin nun seit vier Jahren mit dabei und ein großer Vorteil des Vereins ist sicher, dass man immer am Ball bleibt. Ich hatte mit dem Unterricht aufgehört, wollte aber dennoch weiter aktiv Musik machen und meine Kenntnisse, mein Wissen rund um das Horn behalten wenn nicht sogar erweitern. Hier im Verein probt man für die Konzerte, man setzt sich zu Hause hin, man trifft sich zur Probe. Mein persönliches Highlight ist das alljährliche Konzert. Für mich als Hornistin ein großer Moment. Aber natürlich auch unsere Ausflüge ins Ausland, das Musikfest und die tolle Kameradschaft möchte ich heute nicht mehr missen.

Manuel Bischofberger: Wenn mein Highlight nicht die wöchentliche Probe wäre, könnte ich mich wohl nie zu den Terminen aufraffen. Die Probe am Freitagabend ist für mich mittlerweile zu einer Art Ritual geworden. Sie ist für mich der Ausklang der Woche, hier kann ich herunterfahren und mich gedanklich auf das Wochenende einstimmen. Und einmal im Jahr, beim Konzert, genieße ich das Gefühl auf der Bühne zu sitzen. Zuerst läuft es dir vor Aufregung eiskalt den Rücken herunter, aber später, beim Applaus des Publikums, vergisst man sämtliche Strapazen, die man zuvor auf sich genommen hat.

Redaktion: Herr Müller, was hat sich aus Ihrer Sicht in den letzten 63 Jahren Ihrer Mitgliedschaft im Verein alles getan?

Günther Müller: Wenn ich mich an die 60er Jahre zurückerinnere, war das damals ein ständiges Kommen und Gehen der Dirigenten. Es gab keinerlei Konstante, es ging teilweise recht emotional zu. Heute ist alles sehr professionell, wir können es uns schlichtweg nicht mehr leisten miteinander zu streiten. Dann wurde die erste Tracht für uns Musikanten eingeführt. Wir waren damals 28 Personen und sammelten Alteisen zur Finanzierung. Heute, viele Jahre später, sind wir 70 Personen und stehen dadurch natürlich vor größeren finanziellen Herausforderungen. Ein Meilenstein, den ich miterleben durfte, waren sicher im Jahr 1976 die „Internationalen Musiktage“ in Kißlegg. 80 Kapellen aus dem In- und Ausland kamen zu uns – das war das größte Fest seiner Art im Umkreis von 100 Kilometern.

Redaktion: Luisa, Sie sind im Musikverein als Jugendsprecherin für die jungen Mitglieder zuständig. Wie muss man sich Ihre Aufgabe konkret vorstellen?

Luisa Wolf: Richtig, ich vertrete als Jugendsprecherin unsere jüngeren Mitglieder im Alter zwischen 16 und 25 Jahren. Das sind aktuell etwa 25 Jugendliche. Ich vertrete unsere Themen in den regelmäßig stattfindenden Ausschusssitzungen, organisiere den Ausflug, den wir jährlich im Jugendbereich unternehmen und halte den Kontakt zum Jugendblasorchester. Und dann fällt auch noch der Bereich Nachwuchsförderung ein wenig mit in mein Arbeitsfeld. Heute, in Zeiten von Ganztagsschulen, haben die Kinder kaum noch Interesse daran ein Instrument zu lernen, bzw. würden Sie aus eigener Motivation vermutlich nicht auf die Idee kommen. Daher gehen wir regelmäßig in die Schulklassen und stellen unsere Instrumente vor. Auch hatten wir erst eine Postkartenaktion an Ministerpräsident Kretschmann. Das Vereinsleben und mitunter die Nachwuchsförderung kosten viel Geld. Man muss präsent sein, auf sich aufmerksam machen. Leider sieht das die Landesregierung nicht und wir bekommen weniger Fördermittel als beispielsweise der Sport. Speziell unsere Region Bodensee und der Kreis Ravensburg ist bundesweit für die Fülle ihrer Blaskapellen bekannt. Aber leider wird dieses aktive Vereinsleben kaum vom Land unterstützt.

Günther Müller: Vermutlich, weil bei uns alles funktioniert! Aber wenn wir uns nicht alle so ehrenamtlich engagieren würden, hätten wir ja auch nicht diese tolle Basis. Das wollten wir den Politikern in Stuttgart bei dieser Aktion mal wieder vor Augen führen, das musste einfach mal wieder gesagt werden.

Redaktion: Herr Bischofberger, das Motto des Musikvereins Kißlegg lautet „Immer guat drauf“. Wie kam es dazu?

Manuel Bischofberger: Wir haben uns im letzten Jahr intensiv mit unserem Verein auseinandergesetzt. Wir saßen oft in den Ausschüssen beisammen und haben uns darüber Gedanken gemacht, wie unser Verein in zehn, zwanzig Jahren aussehen soll, welche Baustellen und Probleme es bis dahin zu beheben gibt. Wir wissen, dass in den kommenden Jahren zum Beispiel beim Vereinsheim einige große Kosten auf uns zukommen werden, die Trachten müssen erneuert werden, unser diesjähriges Jubiläumsjahr will gestaltet sein. Dann stellten wir uns und unseren Mitgliedern ein paar grundsätzliche Fragen: was ist uns als Verein wichtig, was möchten wir, was ist unsere Vision? Dabei kam auch das Motto „Immer guat drauf“ als unsere Leitidee heraus. Seitdem sind wir sehr viel fokussierter bei der Arbeit. Wir treffen uns einmal im Monat zur Ausschusssitzung und Aufgaben werden an alle Mitglieder delegiert.

Redaktion: In diesem Jahr feiern Sie 220-jähriges Jubiläum. Worauf dürfen sich die Besucher und Gäste freuen?

Manuel Bischofberger: Wir wollten heuer nicht eine riesige Feier organisieren, sondern haben unseren diesjährigen Jubiläums-Veranstaltungskalender um vier zusätzliche Veranstaltungen erweitert. Die erste Veranstaltung, das Kirchenkonzert im Januar, fand bereits statt und war ein toller Erfolg als Start in unser Jubiläumsjahr. Am 23. April findet in Kißlegg der Tag der Bläserjugend statt. Zehn Jugendkapellen aus dem ganzen Kreis Ravensburg werden sich in Kißlegg einen Tag lang in Wertungsspielen gegeneinander messen, auch Einzelvorträge wird es geben. Der jüngste Musiker ist zehn Jahre alt, der erfahrenste Teilnehmer ist 25 Jahre alt. Auch die Kißlegger Young Band und unser JBO werden mit dabei sein. Am 30. April richten wir ein zusätzliches Mensakonzert unter dem Titel „Blasmusik Comedy“ aus. Die Zuhörer dürfen sich auf einen Abend voll unterhaltsamer Blasmusik in Ensemblebesetzung in einer sehr gehörfälligen und launigen Art freuen. Es werden erstaunliche Instrumente, ungewöhnliche Besetzungen und vor allem gute Laune zu sehen und zu hören sein. Am 15. Oktober rundet dann unsere Jubiläums-Gala mit „Heilix Blechle“ in der Mensa und am 5. November das Jahresdoppelkonzert mit dem befreundeten Musikverein „Harmonie Leutesheim“ den Veranstaltungskalender ab.

Redaktion: Vielen lieben Dank für das interessante Gespräch und viel Erfolg im Jubiläumsjahr!

Wenn Sie mehr über den Musikverein Kißlegg und die geplanten Veranstaltungen im Jubiläumsjahr erfahren möchten, lohnt sich ein Blick auf die Homepage!

„Mein Kißlegg“ ist eine lose Folge von Interviews mit Personen aus dem Vereinsleben Kißleggs. Sind auch Sie in einem der zahlreichen Kißlegger Vereine aktiv tätig und möchten uns einige Fragen an Ihrem persönlichen Lieblingsplatz beantworten? Dann schreiben Sie uns unter sabine.weisel@kisslegg.de mit dem Betreff „Mein Kißlegg“.

 

 

 

 

 

 

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