Franz Reich, Theaterbühne Waltershofen

Premiere für die Rubrik „Mein Kißlegg“: erstmals bewegen wir uns aus Kißlegg Ort heraus und besuchen den neuen Spielleiter der Theaterbühne Waltershofen, Franz Reich, an seinem persönlichen Lieblingsort. Er hat sich für den Gasthof zum Deutschen Haus entschieden, dessen Eigentümerin extra für unser Gespräch die Gaststube geöffnet hat.

Redaktion: Lieber Herr Reich, schön, dass es mit unserem Treffen geklappt hat. Sie werden aktuell terminlich sehr beansprucht sein. In wenigen Tagen findet schließlich die Premiere des neuen Stücks „Schäferstündchen“ in der Mensa am Schulzentrum Kißlegg statt…

Franz Reich: Das stimmt, derzeit sind wir viel am Proben. Seit 4. Dezember ist das Bühnenbild aufgebaut und unsere Proben finden direkt am realen Spielort, in der Mensa Kißlegg, statt. Aber natürlich freue ich mich auch über die Gelegenheit, mich und den Verein, die Theaterbühne Waltershofen, im Kißlegger vorstellen zu dürfen und noch ein wenig Werbung für das Stück zu machen.

Franz Reich spielt seit 1981 Theater in Waltershofen und wurde jüngst zum neuen Spielleiter ernannt. Zuvor übte diese Funktion über 30 Jahre Werner Schuhwerk aus.

Redaktion: Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrem neuen Amt. Was dürfen wir uns genau unter der Funktion eines Spielleiters vorstellen?

Franz Reich: Lieben Dank, doch ehrlich gesagt, fiel mir die Entscheidung gar nicht so leicht. Natürlich brenne ich für das Theater und ich fühlte mich sehr geehrt, als ich direkt auf die Nachfolge angesprochen wurde. Dennoch bin ich beruflich in Garmisch Partenkirchen tätig und daher stellte sich mir vordergründig eine Zeit- und Ortsfrage. Wir haben nun im Verein die Vereinbarung getroffen, dass ich es erstmal eine Spielsaison lang ausprobieren werde. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ein Spielleiter ist zunächst dafür zuständig, ein passendes Stück herauszusuchen, das auf seine Spieler passt. Ich hoffe, dass ich mit meiner diesjährigen Wahl des Stückes „Schäferstündchen“ von Bernd Gombold, den Lach-Nerv des Publikums getroffen habe. Man muss sich die Aufgabe eines Spielleiters ein wenig wie die eines Dirigenten vorstellen: er trägt die Verantwortung für die Gruppe, er studiert die jeweiligen Stücke Passage für Passage intensiv, teilt die einzelnen Rollen zu, schreibt die eine oder andere Stelle um. Beim Lesen des Stückes, sehe ich meist schon die jeweiligen Spieler auf der Bühne vor mir.

Redaktion: Was muss Ihrer Meinung nach ein Stück haben, dass es letztendlich den Zuschauer fesselt?

Franz Reich: Ich habe mir hierzu meine eigene kleine Theorie aufgebaut. (Er legt einige bunt beschriebene Arbeitsblätter, Probenpläne und Skizzen auf den Tisch). Das perfekte Stück, wenn es dieses denn gibt, besteht aus einem guten Fundament. Hier geht es um die Dynamik des Stückes, es darf keine Langeweile aufkommen, die Spieler müssen ihren Text absolut beherrschen und die Teile des Stückes sollten, wie bei einem Staffellauf, geschmeidig ineinander übergehen. Aber auch das Bühnenbild und eine stimmige Atmosphäre würde ich noch zu diesem wichtigen Teil mit dazuzählen. Ebenfalls wichtig ist ein funktionierender Spannungsteil: in diesem Part entwickeln sich die einzelnen Charaktere, der Zuschauer wird von der Geschichte gepackt, er bleibt am Ball und schweift gedanklich nicht ab. Und schließlich, und das ist natürlich speziell für die Komik des Stückes wichtig, müssen die einzelnen Pointen sitzen. Der Humor des Publikums sollte sich an den jeweiligen Stellen entladen können. Das ist, denke ich, die Choreographie eines gelungenen Stücks. Es mag vielleicht dem einen oder anderen Außenstehenden komisch vorkommen, dass ich mich so in das Theoretische hineinfuchse – aber ich hatte das Glück bereits mit einer studierten Regisseurin zusammenarbeiten zu dürfen und habe mir da den einen oder anderen Kniff bei ihr abschauen können. Für mich ist diese Struktur eine hilfreiche Orientierung und auch Voraussetzung für Kreativität im Spiel. Und meine Spieler setzen das immer besser um und bis zur Premiere haben sie es drauf.

Redaktion: Erzählen Sie uns noch ein wenig über den Verein. Wie sieht es allgemein mit der Theatertradition in Waltershofen aus?

Franz Reich: Wir Waltershofener sind ein theaterverrücktes Völkchen. Wir blicken auf eine lange Theatertradition zurück. Ich befasse mich erst seit Kurzem mit dem Thema: bereits 1889 gab es wohl eine Theatergesellschaft Waltershofen. Und seitdem hat sich wenig an der Faszination verändert. Nahezu jeder Bürger hat hier schon einmal Theater gespielt. Das Theater ist beliebter Gesprächsstoff im Ort und es gehört zur festen Tradition jedes Waltershofeners, sich einmal pro Spielsaison das aktuelle Stück anzusehen. Das Theater gehört zu uns und unserem Ort, wie die FARNY Brauerei.

Redaktion: Wir haben uns heute an Ihrem Lieblingsplatz, im Gasthof zum Deutschen Haus getroffen. Warum haben Sie sich speziell für diesen Ort entschieden?

Franz Reich: Für mich ist dieser Ort aus zwei Gründen sehr emotional aufgeladen. Zum einen begann hier quasi meine Theaterkarriere, genau hier an diesem Tisch, an dem wir heute sitzen. Es war im Jahr 1981 während der Fasnet. Ich hatte gerade für den Musikverein einen Sketch beim Musikball zum Besten gegeben, die Leute lachten und johlten und ich war selig. Einige Monate später saß ich im Gasthof an diesem Tisch und wurde vom damaligen Spielleiter und dem Souffleur quasi vor vollendete Tatsachen gestellt: sie sahen in mir einen idealen Kandidaten für die Theaterbühne und drückten mir das Drehbuch zum damaligen Stück „Das Millionenbett“ in die Hand. Ich hatte an dem Abend schon einige Bier intus und muss wohl nicht direkt abgelehnt haben…. jedenfalls wachte ich am nächsten Morgen auf und dachte mir: „Da hast du jetzt nicht wirklich zugesagt“. Sie müssen wissen, dass ich damals mitten in den Prüfungen steckte und nicht viel Zeit hatte. Wir trafen uns dann nochmals zum Gespräch und sie boten mir an, einfach mal unverbindlich bei der Probe vorbeizuschauen. Tja, und seitdem bin ich dabei.

Und auch ein anderer Aspekt an diesem Ort ist mir wichtig: Der Gasthof war früher der allgemeine Treffpunkt für die Bevölkerung. Hier hat sich die Jugend sozialisiert, viele Generationen kamen hier zusammen, verbrachten gemeinsame Abende und feierten Feste. Nachdem die Gaststätte einige Zeit geschlossen war, hat sie die Familie Harlacher übernommen und am Wochenende von Freitag bis Sonntag wieder geöffnet, damit zumindest übers Wochenende wieder Begegnung in der geliebten Gaststätte zum Deutschen Haus stattfinden kann, was die Waltershofer natürlich sehr freut.

Redaktion: Nun sind Sie ja beruflich viel unterwegs – ihr Arbeitsort liegt mitten im Bayerischen. Haben Sie nie über einen Umzug nachgedacht bzw. was ist das Besondere an Kißlegg und der Ortschaft Waltershofen, dass Sie jeden Tag den weiten Weg auf sich nehmen?

Franz Reich: Ich wurde 1962 in Wengen geboren und seitdem habe ich hier gewohnt und gelebt. Natürlich spielen die sozialen Kontakte für mich eine große Rolle, die tolle Theatergruppe, in der ich seit vielen Jahren nahezu jede freie Sekunde verbringe. Diese wunderbare Landschaft, Kultur und die Mentalität der Menschen hier, die findet man nicht so schnell an einem anderen Ort wieder. Ich schätze die dörfliche Kultur, jeder kennt jeden, man hilft sich, ist offen, lustig und heimatverbunden.

Redaktion: Herr Reich, wir sind bei der letzten Frage angelangt. Gibt es noch etwas, dass die Leserinnen und Leser über den Verein wissen müssten?

Franz Reich: Ich würde mich freuen, wenn viele Besucher zu unseren „Schäferstündchen“ Aufführungen in der Mensa am Schulzentrum kommen würden. Man kann unserem Verein gegen eine geringe Jahresgebühr beitreten oder uns als Fördermitglied unterstützen. Und natürlich freuen wir uns auch immer über neue Gesichter unter unseren Spielerinnen und Spielern. Wir sind eine lustige Gruppe, bunt gemischt zwischen 22 und 66 Jahren und freuen uns immer über Unterstützung.

„Mein Kißlegg“ ist eine lose Folge von Interviews mit Personen aus dem Vereinsleben Kißleggs. 
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