Kißlegger Kunstwochen: Gespräch mit der Dozentin Petra Ehrnsperger

Auch in diesem Jahr folgten über 80 Teilnehmer der Einladung nach Kißlegg, ihr kreatives Können im Rahmen der Kißlegger Kunstwochen unter Beweis zu stellen. Zwischen dem 31. Oktober und 14. November 2015 konnten erneut Nachwuchs- und Hobbykünstler in neun Kunstworkshops ihre Fertigkeiten mit Hilfe namhafter Dozenten ausbauen und festigen. Das breite Kursangebot reichte in diesem Jahr von der Aktmalerei über die Radierung und die Bildhauerei bis hin zur Musik und Literatur.

Wir treffen die Dozentin Petra Ehrnsperger in der Cafeteria im ersten Stock. Hier, im umfunktionierten Barocksaal, findet sich während der Kurszeiten immer ein belegtes Brötchen, eine kleine Süßigkeit oder eine Tasse frischgebrühter Kaffee. Hier können sich die Teilnehmer untereinander austauschen, kurz innehalten und ihrer Kreativität eine kurze Pause gönnen. Heute ist die Cafeteria jedoch wie leer gefegt – am Tag zuvor fand bis in die Abendstunden die öffentliche Finissage statt, heute ist großer An- und Abreisetag. Die Teilnehmer der ersten Kurswoche sind größtenteils bereits am Morgen abgereist, ein paar Wenige packen noch ihre Malutensilien zusammen. In wenigen Stunden werden dann bereits die Teilnehmer der nächsten Kurswoche anreisen.

Petra Ehrnsperger wurde 1963 in Nürnberg geboren, absolvierte ein Studium der Malerei und Kalligraphie an der Fachhochschule für Gestaltung in Wiesbaden. Seit 1989 ist sie freischaffende Künstlerin und hat sich dank zahlreicher Ausstellungen im In- und Ausland, einen Namen gemacht. Seit 1999 gibt sie Seminare und Kurse und ist Dozentin bei verschiedenen Sommerakademien. In diesem Jahr ist sie bereits zum 13. Mal als Dozentin mit dabei – geradezu prädestiniert also, um uns ein paar Fragen zur Kißlegger Kunstwoche zu beantworten und die letzten Tage Revue passieren zu lassen.

Frau Ehrnsperger, was würden Sie sagen, ist das Alleinstellungsmerkmal der Kißlegger Kunstwoche, das Sie immer wieder ins Allgäu kommen lässt?

Im Jahr 2004 wurde ich das erste Mal auf die Kißlegger Kunstwochen aufmerksam. Damals fanden die beiden Wochen zeitlich getrennt voneinander statt: eine Kunstwoche im Frühjahr, eine andere im Herbst. Die jetzige Version, mit zwei Wochen intensivem und konzentrierten Arbeiten im Herbst, finde ich auf jeden Fall besser. Es gibt vieles, was ich in den letzten Jahren an den Kißlegger Kunstwochen zu schätzen gelernt habe.

Zum einen sind es diese fantastischen Räumlichkeiten, in denen wir arbeiten dürfen. Diese einzigartige Atmosphäre dieses fürstlichen Schlosses findet man nicht so schnell wieder. Und auch die Großzügigkeit der Räume ist beachtlich: mein Kurs fand in diesem Jahr in gleich drei ballsaalgroßen Räumen statt. Jeder meiner Teilnehmer konnte sich frei darin ausbreiten. Das ist schon Luxus.

Etwas Besonderes ist auch die Kursdauer. In den sechs Tagen können sich die einzelnen Gruppen voll und ganz auf die Kunst und das jeweilige Kursthema einlassen, es findet sich ausreichend Zeit mit den Dozenten zu reden, Bilder zu besprechen und die Werke mit Ruhe und Muße entwickeln zu können. Schließlich auch die Möglichkeit, die fertigen Werke dann der Öffentlichkeit bei der abschließenden Finissage präsentieren zu können.

Sie sprechen die gestrige Finissage an: Auch in diesem Jahr gab es für die Teilnehmer, neben den eigentlichen Kursen, ein vielseitiges Rahmenprogramm. Es gab unter anderem eine Fachdiskussion, bei Atelierbesuchen konnte man sich inspirieren lassen und auch die Open Studios fanden wieder statt. Wie beurteilen Sie das diesjährige Programm?

Ich kann natürlich nur für die erste Woche sprechen, aber ich fand es erneut eine sehr runde und gelungene Veranstaltung – auch gerade auf Grund des Rahmenprogrammes. Mir gefällt die Öffnung des Konzepts durch die Open Studios sehr gut. Wir sitzen hier schließlich nicht abgeschottet in unserem Elfenbeinturm, sondern freuen uns, wenn Besucher und Gäste die Gelegenheit nutzen und uns bei unserem kreativen Schaffen über die Schulter blicken. Teilweise entsteht durch den Austausch mit Außenstehenden auch noch die eine oder andere spannende Idee, die wir dann gerne in unserer Arbeit mit aufgreifen.

Ich muss ehrlich gestehen, dass ich an dem Atelierbesuch nicht teilgenommen habe. Es gab einige Teilnehmer aus meiner Gruppe, die weiter an ihrem Bild arbeiten wollten und so bin ich ebenfalls im Schloss geblieben. Von den Teilnehmern, die jedoch am kompletten Rahmenprogramm teilgenommen haben, habe ich viel Positives gehört. Dies ist vielleicht auch noch ein Punkt, der mir hier ganz gut gefällt. Man hat eine gewisse Freiheit, unterliegt keinem kollektiven Zwang. Jeder kann die Zeit hier nutzen, wie er oder sie es für richtig hält. Das finde ich persönlich sehr angenehm.

Trotz den vielen Freiheiten läuft die Arbeit in den Gruppen recht konzentriert und diszipliniert ab. Die Kursthemen waren auch in diesem Jahr recht anspruchsvoll und für mich entstand als Besucher der Eindruck, dass jeder Teilnehmer einen genauen Fahrplan im Kopf hatte und nicht ins Blaue hineinarbeitete.

Das ist vollkommen richtig. Die Kurse sind von uns Dozenten konzeptionell durchdacht. Schritt für Schritt werden die Teilnehmer an die jeweiligen Themen herangeführt und durch Vorübungen, Skizzen und Farbstudien tasten wir uns so an die jeweiligen Aufgaben gemeinsam heran.

Ihr Kurs in diesem Jahr hieß „Vom Abbild zur Abstraktion“. Was dürfen wir uns darunter genau vorstellen?

Mein diesjähriger Kurs hat zwei meiner eigenen künstlerischen Leidenschaften miteinander verbunden: die Fotografie und die Malerei. Ausgangspunkt unserer Arbeit waren die, von den Teilnehmern mitgebrachten, Fotos. Diese haben wir – wie man vielleicht im ersten Moment denken mag – jedoch nicht zu Collagen oder Ähnlichem verarbeitet, sondern haben aus den realen Motiven eigenständige und abstrakte Arbeiten entwickelt. Ich muss dazusagen, dass die Vorbereitung meiner Teilnehmer super war. Alle zehn sind hochmotiviert gestartet und waren, von der ersten Minute an, ganz in ihrem Thema.

Ehrnsperger zeigt uns ein paar Handyfotos der entstandenen Werke ihrer Teilnehmer. Von Natur- und Landschaftsaufnahmen, über Portraitzeichnungen, Industrie und Architekturthemen bis hin zu einem Zeitungsartikel, der die aktuelle Flüchtlingsthematik aufgreift – die Themen sind genauso vielseitig und individuell wie die Teilnehmer.

Wir haben eine sehr arbeitsreiche aber auch erfolgreiche Zeit hinter uns und haben in den sechs Tagen tolle Ideen entwickelt. Spannend war natürlich anfangs auch den Fragen nachzugehen, warum man sich ausgerechnet für ein bestimmtes Bild entschieden hat und wie sich realistische Objekte wie z.B. Figuren oder Bäume in abstrakte Werke „übersetzen“ lassen.

Liebe Frau Ehrnsperger, vielen Dank, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben. Eine abschließende Frage habe ich noch: vor einem Jahr wurde an dieser Stelle die Dozentin Barbara Ehrmann mit dem Spruch „ Die Kunstwoche ist alles, nur kein VHS Kurs“, zitiert. Würden Sie sich dieser Äußerung anschließen?

Besser als Frau Ehrmann kann man es kaum ausdrücken. Die Kißlegger Kunstwochen stehen für Professionalität und Qualität der Kurse. Das Niveau ist hier recht fortgeschritten. Meine Aufgabe als Dozentin liegt in den Tagen hauptsächlich darin, das vorhandene künstlerische Potential meiner Teilnehmer zu erkennen und sie in ihrer Arbeit zu fördern und zu fordern. Dies ist ein sehr intensiver Prozess. Ich begreife mich sozusagen ein wenig als Geburtshelferin: ich begleite meine Teilnehmer in ihren Arbeiten, motiviere sie, ihren eigenen Stil auszubauen und gebe, im Hintergrund, die nötigen Hilfestellungen, um das volle Potential auszuschöpfen. Dies ist auch immer ein Austausch auf Augenhöhe. Ich gebe nicht nur meine Erfahrungen an die Teilnehmer weiter, sondern nehme auch als Dozentin viele wertvolle Anregungen aus den Kurstagen mit nach Hause.

Die Kißlegger Kunstwoche findet jedes Jahr im Herbst im Neuen Schloss Kißlegg statt. Ausführliche Informationen zur Veranstaltung finden Sie auf der Homepage.