Das Alte Schloss in neuem Glanz: Gespräch mit der gräflichen Familie Waldburg-Wolfegg

Jeder Hauseigentümer, der schon einmal kleinere Renovierungstätigkeiten im Eigenheim durchführen lassen musste, weiß, wie viel Arbeit, Zeitaufwand und Nerven solche Projekte mit sich führen. Wie muss es da einem Schlossherren ergehen, dessen Anwesen, wie jedes andere Gebäude auch, über die Jahre Wind und Wetter trotzen muss und das vom Zahn der Zeit ebenfalls nicht verschont bleibt? Von April bis Oktober 2015 befand sich das Alte Schloss der gräflichen Familie Waldburg-Wolfegg, eingehüllt in Baugerüste und Plastikplanen, quasi im Dornröschenschlaf. Seit November erstrahlt das Schloss wieder in neuem Glanz. Wir haben die Gelegenheit beim Schopf gepackt und uns mit den Bauherren, Gräfin Michaela und Graf Wunibald, über die zurückliegenden Sanierungsarbeiten unterhalten.

Vorweihnachtszeit 2015 in Kißlegg. So langsam kommen auch Gräfin Michaela und ihr Mann, Graf Wunibald, in Weihnachtsstimmung. Vor einigen Wochen belagerten noch zahlreiche Handwerker ihr Haus. Nun gehören die Räume wieder der Familie, der Staub und Schmutz der zurückliegenden Baumaßnahmen wurde beseitigt, und in einem der Zimmer hat sich die Gräfin einen kleinen Bereich für die Weihnachtsvorbereitungen eingerichtet. Hier werden Geschenke kunstvoll verpackt und Weihnachtsbriefe formuliert. Die gräfliche Familie nennt seit 1950 die Gemeinde Kißlegg ihr Zuhause. Zuvor befand sich der Wohnsitz der Familie im benachbarten Wolfegg. Gemeinsam mit den Eltern und fünf Geschwistern – die Jüngste kam in Kißlegg zur Welt – zog Graf Wunibald Anfang der 1950er Jahre im Kindesalter ins Alte Schloss nach Kißlegg. „Das Haus befand sich damals in einem desolaten Zustand“, erinnert er sich zurück. „Die erste Aufgabe unseres Vaters bestand darin, das Gebäude für uns wohnlich herzurichten.“ Neue Bäder und Toiletten wurden eingebaut und eine Zentralheizung sollte fortan für angenehme Temperaturen sorgen.

Erstrahlt in neuem Glanz: das Alte Schloss Kißlegg.                                                        Bild: Paddy Schmitt

Der Erstgeborene, Bruder Friedrich, soll die Geschicke der Familie weiterführen

„Ich hatte eine recht unbekümmerte Jugend“, blickt Graf Wunibald zurück. „Natürlich waren die Zeiten durch den jüngst vergangenen Krieg nicht die besten, dennoch versuchten meine Eltern, auch mit wenigen Mitteln, eine Art Normalität herzustellen, oder zumindest das, was man damals als solche bezeichnen konnte. Ich bin der zweitgeborene Sohn, mein Bruder Friedrich war, laut Erbfolge, derjenige, der einmal den Besitz und die Geschicke unserer Familie in der nächsten Generation weiterführen sollte“, so Graf Wunibald weiter. „Er war sich früh dieser Verantwortung bewusst, war sehr gewissenhaft und wuchs von klein auf in diese Position hinein. Ich dagegen hatte viele Freiheiten und genoss es, nicht in jedem Bereich glänzen zu müssen.“

„In diesem Moment musste ich schlichtweg handeln“

Im Jahr 1966 stirbt der Vater Graf Johannes Nepomuk. Friedrich, der ältere Bruder, leitet fortan die Geschäfte der Familie. Graf Wunibald studiert Wirtschaftsingenieurwesen, ist im internationalen Vertrieb tätig. „1968 ereilte unsere Familie mit dem plötzlichen Unfalltod meines Bruders dann der zweite Schicksalsschlag in so kurzer Zeit“, erzählt Graf Wunibald zurückblickend. „Von jetzt auf nachher musste ich, als Zweitgeborener, in die Fußstapfen meines Bruders treten und an seiner Stelle die Verantwortung für die Familie übernehmen. Es blieb mir damals gar keine Zeit, lange über die Veränderungen nachzudenken. In diesem Moment musste ich schlichtweg handeln.“ Noch heute zählt das pragmatische Anpacken zu einer der Stärken des Grafs. „Hier fallen ständig irgendwelche handwerklichen Arbeiten an. Mal bauen wir eine der Wohnungen aus, mal muss etwas, wie in diesem Jahr, großflächig saniert werden. Es wird nicht langweilig bei uns“, weiß er zu scherzen. „Zum Glück sind wir handwerklich einigermaßen geschickt und können kleine Arbeiten selbst erledigen. Unsere Aufgabe hier, könnte man leicht mit der eines Hausmeisters gleichsetzen“, ergänzt ihn seine Frau spöttisch.

Sonnenuhr an der Schlossfassade.                                                                                                       Bild: Paddy Schmitt

3.000 Quadratmeter Dachflächen

Die umfangreichen Sanierungsarbeiten im Frühjahr 2015 fielen dann jedoch eher in die Kategorie „aufwändig“ und bedurften handwerklicher Hilfe von außen. Von Mitte April bis Oktober war das Alte Schloss eingerüstet. Im Jahr 1977 war das Haus zuletzt saniert worden. „Vierzig Jahre sind eine lange Zeit, die an dem Gebäude nicht spurlos vorübergehen. Und natürlich müssen Sie bei so einem Gebäude wie dem Alten Schloss auch mit anderen Maßstäben rechnen, als bei einem Einfamilienhaus“, schildert Graf Wunibald die besondere Herausforderung. „Allein unsere Dachflächen haben ein Ausmaß von insgesamt 3.000 Quadratmetern, unser Dachboden reicht über viereinhalb Stockwerke, ein Teil des Gebäudes stammt noch aus der Renaissance, andere Teile wiederum aus der Zeit des Barock. Daher laufen bei solch einem Gebäude Renovierungsarbeiten nie in Eigenregie ab“, gibt Graf Wunibald zu Bedenken. „Das Denkmalamt muss bei jedem Schritt konsultiert werden und die Arbeiten dürfen nur nach Zustimmung der einzelnen Behörden erfolgen.“ „Wobei wir hier in den letzten Jahren wirklich Glück hatten“, wirft seine Frau ein. „Die Behörden haben mittlerweile Verständnis dafür, dass die Räume hier noch immer von Menschen bewohnt werden. Wir sollen uns schließlich am Ende hier wohlfühlen und nicht als Museumswächter verkümmern“, so die Gräfin entschieden.

Bei der Begehung dann die böse Überraschung

„Uns war jedenfalls bewusst“, fährt Graf Wunibald mit seinen Schilderungen fort, „dass hier über die Jahre einige Schäden zusammengekommen sein mussten. Vor gut vier Jahren begannen wir dann mit der Planung der Sanierungsarbeiten.“ Das Denkmalamt wurde kontaktiert, die jeweiligen Anträge mussten gestellt werden, ein geeigneter Architekt wurde akquiriert, das Objekt besichtigt und Kostenvoranschläge bei den Behörden eingereicht. „Bei der Begehung kam dann die böse Überraschung. Wir hatten ja bereits eine lange Liste an baulichen Maßnahmen zusammengestellt: die Fassade sollte saniert, die Stockrahmen unserer 55 Renaissancefenster restauriert werden, die Fensterläden sollten neu gemacht und die Zinnen neu eingedeckt werden. An manchen Stellen bröckelte der Putz. Dennoch hatten wir bei unseren Überlegungen nicht erwartet, dass sich die Türme in solch einem schlechten Zustand befanden. Die mittlerweile morschen Balken hätten wohl irgendwann nicht mehr die schwere Last der Ziegel gehalten“, berichtet Graf Wunibald über die damalige Begehung. Etwa 60 Prozent des morschen Gebälks musste erneuert werden und auch ein Teil des Schlossdaches wurde von den Zimmerermeistern bei der Gelegenheit gleich mitgesichert.

Das Alte Schloss Kißlegg                                                                                       Bild: Paddy Schmitt

Die Erhaltung über Generationen – eine ständige Herausforderung.

„Die Gerüstbauer fingen Mitte April an das Gebäude einzurüsten. Ende April machten sich die Zimmermannsleute bei den Türmen ans Werk“, blickt Gräfin Michaela heute zurück. „Bis Oktober lebten wir quasi hinter einem Vorhang. Alle Fenster waren verklebt, die Handwerker haben sich in den Räumen ausgebreitet. Doch wir hatten insgesamt großes Glück. Die Firmen arbeiteten größtenteils zu unserer vollsten Zufriedenheit, die lange Bauphase ist nun überstanden und das Haus wirkt auf uns im Ergebnis viel filigraner und leichter. Insgesamt ist es sehr schön geworden.“ „Und der goldene Herbst hat uns ebenfalls entschädigt“, so Graf Wunibald heiter. „Bei uns hatten schließlich schon immer Restaurierungs- und Renovierungsarbeiten Priorität. Alle Wohnungen sind heute auf einem modernen Stand. Vermutlich muss erst die kommende Generation wieder größere Sanierungsarbeiten bewältigen“, pflichtet Gräfin Michaela ihrem Mann bei. Seit 40 Jahren ist das Alte Schloss ihr Wohnort. Viele Erinnerungen verbindet sie mit dem Gebäude. „Hier blicke ich unter anderem auf meine Tätigkeiten im Kißlegger Gemeinderat zurück oder auf meine erste Demo durch Kißlegg auf Grund der Tschernobyl-Katastrophe.“

Gedanklich schon wieder beim nächsten Projekt

Ihr Mann, Graf Wunibald, ist hingegen gedanklich schon wieder bei seinem nächsten Renovierungsprojekt. Doch zuvor müssen noch die Rechnungen der zurückliegenden Sanierungsarbeiten eingereicht werden, damit bald ein kleiner Teil der Kosten von Seiten des Denkmalamts, der Denkmalstiftung des Landes sowie des Bundes erstattet wird. „Auf einem wesentlichen Teil der Kosten bleiben wir selbst sitzen“, so Graf Wunibald. „Aber das soll wohl so sein. Das Haus und die unterschiedlichen Arbeiten darin, halten uns mental und physisch fit. Ich habe schon wieder eine neue Idee, war wir in Kürze hier handwerklich in Angriff nehmen könnten.“ Gräfin Michaela winkt lachend ab. „Aber dies hat ja wohl hoffentlich noch Zeit bis nach den Weihnachtsfeiertagen. Diese haben wir uns schließlich, nach diesem Jahr, redlich verdient!“

 

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